Santa Cruz vermittelt mit allem, dass du jetzt im Urlaub bist. Palmen, Mücken und für mich beinahe eine unerträgliche Hitze.
Und trotzdem, endlich steht wieder Arbeit auf dem Programm! Zwei Wochen mehr stehen jetzt auf meinem Brillenkonto, womit „Lentes al Instante“ mittlerweile in Führung liegt, vor meinem Hogar… Eine Woche lang sind wir nach Warnes gependelt, was etwa eine Stunde von Santa Cruz entfernt liegt. Dort wurden wie am Fließband Brillen ausgegeben, aber natürlich auch Patienten, denen die LAI-Brillen nicht helfen zum Augenarzt geschickt.

Die Verantwortlichen des „Centro Civico“, wo die Kampagne stattfand, haben uns am letzten Tag mit Dankbarkeit und Karottenkuchen überschüttet und auch die Patienten hatten einige Segnungen und herzliche Umarmungen für uns über. Da stört es auch nicht großartig, dass einige uns auch mit Unverständnis oder einfach nur Frechheit begegnen. Darüber hinaus lassen die witzigen Momente, die durch (sprachliche) Missverständnisse entstehen, einen die teilweise wüsten Beschimpfungen vergessen. So hatte ich beispielsweise eine Frau, die, als ich ihr gesagt habe, sie solle doch bitte ein Auge schließen und ihr dann noch den „Augen-abdeck-Löffel“ (ja, das ist definitiv die medizinische Bezeichnung…) hingehalten habe, eben das getan hat. Ein Auge geschlossen und das andere abgedeckt… Diagnose: blind.
Durch die Hitze war die Arbeit wirklich anstrengend, aber ich finde diese Temperaturen sowieso einfach nicht wirklich angenehm, was mir während der Zeit hier auch einige schlaflose Nächte beschert hat.
Am Wochenende haben wir den botanischen Garten von Santa Cruz besucht, zumindest kurz, denn die 1000en kleinen Blutsauger vor Ort hatten es total auf uns abgesehen… Nach einer knappen Stunde konnte ich allein an meinen Beinen 24 Stiche zählen. Trotzdem war es ein schöner Trip:




Da die nächste Kampagne nur von Mittwoch bis Freitag gehen sollte, hatte ich zwei Tage zur freien Verfügung und bin an einem Tag mit in Celines Projekt „Nuevo Amanecer“ gefahren, wo sie einmal die Woche hilft, eine Art Schule für Kinder und Jugendliche mit Behinderung. Die Kinder in der Klasse, in der ich den Vormittag verbracht habe, waren noch recht jung, konnten aber im Vergleich zu den Kids in meinem Hogar recht viel, vielen von ihnen konnte man aber auch nicht wirklich eine Behinderung anmerken. Es war super interessant mal eine andere Einrichtung für Behinderte kennen zu lernen, auch wenn wir nach dem Mittagessen schon wieder gegangen sind, da die Kinder dann nach Hause gehen und Celine zu ihrem Hauptprojekt fährt, wo in den folgenden Tagen die nächste Kampagne stattfand.

Die „Plataforma Solidaria“ ist eine Einrichtung für Benachteiligte, mit Kinderbetreuung, Mittagessen für Menschen aus der Umgebung, Kochkursen, Workshops Erwachsene und Rentner und vieles mehr. Wen es genauer interessiert sollte sich hierzu Celines Blog durchlesen:
Leider sind hier aber nur sehr wenige Patienten aufgetaucht, diejenigen die aber dort waren, haben beinahe ausnahmslos „donaciones“ bekommen (sie mussten also nichts für ihre Brillen bezahlen), weil die Bevölkerung der Umgebung wirklich sehr arm ist. Am ersten Tag hatten wir 8 Patienten (zum Vergleich: normalerweise machen wir etwa je 50 am Vor- und Nachmittag), wodurch sich der Tag sehr zog und wir letztlich auch früher nach Hause gefahren sind. Zugegeben, an diesem Tag hat es auch geregnet und dann verlässt der durchschnittliche Bolivianer das Haus nicht, wenn es nicht überlebensnotwendig ist. Bei Regen fahren auch keine Busse mehr und in der „Plataforma“ war man überrascht, dass wir bei dem Wetter überhaupt aufgetaucht sind. In den drei Tagen war der Höhepunkt eine Gesamttagesleistung von 22 Patienten…
Für Donnerstagabend war unsere Heimreise nach La Paz angekündigt. Diese wurde dann allerdings auf Freitag verschoben. Da Freitag aber noch Kampagne war, haben wir dann entschieden, dass Samstag praktischer und entspannter wäre. Allerdings kam mittags dann die Nachricht „no hay salidas“, die Busse fahren nicht, also noch eine Nacht länger in der Hitze schmoren.
Dennoch war dies für mich sehr gut, denn eine der Profesoras des „Nuevo Amanecer“ hatte Celine, Lisa und mich zu ihr nach Hause eingeladen und so konnte ich den gesamten Tag bleiben.
Um 9 Uhr sind wir morgens zu einem Treffpunkt gefahren, wo wir von ihr und ihrem Mann abgeholt wurden. Dann ging es etwa eine halbe Stunde raus aus Santa Cruz nach La Guardia. Der erste Stopp war hier auf dem Markt, wir sollten uns Gemüse für unseren Salat aussuchen. Da Celine Fleisch isst sollte sie auch noch ein Hühnchen wählen, doch die Fliegen, der Glibber in denen die Körper lagen, der Geruch und die Hitze, die in dem Raum herrschte, ließ sie dann doch beim Salat bleiben.
Dann wurde noch eine riesige Wassermelone angeschafft:

Bei der Profesora zuhause haben wir die Melone (einen Teil davon) dann gegessen und gekocht. Der Salat wurde eher eine Gemüsepfanne, war aber trotzdem sehr lecker. Die Familie hat trotzdem ihr eigenes Essen gegessen, dass sie zuvor woanders gekauft hatten, denn wie wir festgestellt haben, benutzen sie ihre Küche fast nie, wodurch es länger gedauert hat, bis wir das Öl gefunden hatten, da sich die Familienmitglieder ungefähr so gut in ihrer Küche auskannten wie wir…
Nach dem Essen mussten wir uns ausruhen. „Descanso“ ist in Bolivien ein wichtiger Teil des Lebens, ohne den offenbar nichts läuft… Also haben wir uns brav in die Hängematte gelegt und die Ruhe genossen. Obwohl es nicht so weit weg von der Millionenstadt liegt, herrscht in La Guardia eine herrliche Idylle und Ruhe, die nur ab und an von einem der 5 Hunde der Familie gestört wurde. Ein kleines Haus mit Garten und Mandarinen-, Limetten-, Orangen- und Papayabaum, Hängematte, frischer Luft und Ruhe. Wirklich wunderschön.
Nachdem wir uns ausreichend ausgeruht hatten und vor dem Starten des Automotors gebetet hatten (die Familie ist unwahrscheinlich gläubig), fanden wir uns plötzlich auf dem Geburtstag einer 6-Jährigen wieder, deren hochschwangere Mutter früher wohl mal bolivianische Fußballnationalspielerin war. Das gesamte Haus roch nach Zucker. Aber das war der der riesigen Torte auch kein Wunder…

Anstelle der Torte waren unsere Highlights allerdings die Babykatzen, die wir nach kurzer Zeit in die Arme gelegt bekommen haben. 2 Monate waren sie alt und hatten sich eigentlich herade in einem Wäscheberg versteckt.

Danach ging es weiter zur Kirche. Kindergottesdienst, geleitet von der Profesora und ihrem Mann. Etwa 20 Kinder spielten bei unserer Ankunft bei dem Wohnhaus, welches die Bewohnerin für die Kindergottesdienste zur Verfügung stellt.

Es wurde gesungen, getanzt und erstaunlich gut zugehört. Die Geschichten und Ermahnungen waren für meinen Geschmack etwas radikal und die Antworten der Kinder recht erzwungen. Trotzdem ist es beeindruckend, was dort auf die Beine gestellt wird und wie viel Zeit sie dafür opfern.

Nach dem Gottesdienst mussten wur noch kurz mit den Kids Fußballspielen, nach dem ersten Gegentor hatten allerdings beinahe alle Kinder zum führenden Team gewechselt und mein Equipo bestand nur noch aus Lisa, mir und dem Torwart, der eben leider nicht so leicht wechseln konnte…
Um auf dem Heimweg nicht vollends im Verkehr stecken zu bleiben ging es dann aber bald wieder zu ihr nach Hause, ein weiteres Stück Melone, zwei Tassen Tee und einige Knabbereien später, konnten wir durchsetzen nicht auch noch nach Hause gefahren zu werden, sondern Truffi zu fahren. Immerhin hatten wir unser Essen auch schon nicht bezahlen dürfen und die beiden hatten den ganzen Tag schon so viel für uns getan.

Es war ein wirklich spannender Tag und es war schön auch mal ein wenig vom Dorfleben mitzubekommen, was andere Freiwillige ja quasi jeden Tag haben. Knapp 13 Stunden nach Aufbruch am Morgen sind wir dann totmüde durch die Wohnungstür gefallen, trotzdem aber alle ziemlich happy diesen Tag erlebt haben zu können.

Hallo Lena, vielen Dank für deine ausführliche Berichterstattung. So komme ich auch ein wenig auf deine spannenden Pfade!
Gruß Günther
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