…und ich mitten drin.
Das mit dem Frühstück um 7 Uhr hätte fast geklappt, wenn denn unsere Mitbolivianer vor 7 Uhr aufgestanden wären. Ich gewöhne mich dran. Zum Frühstück gab es Käse Empanadas, danach haben wir uns noch etwas Obst geholt. Dann startet die Kampagne in Yacuiba. Wir fahren an die erste Schule, wo wir die gesamte Woche bleiben werden, laden alles aus, bauen auf.

Mittags geht es zum Hostel und wir packen unsere Sachen. Umzug! Das Hostel ist überteuert, dreckig und hat keine Garage für den Bus, daher der Wechsel. Bei 42°C kommen wir im neuen Zimmer an und stellen fest, dass unser Ventilator etwa 10 Umdrehungen die Minute schafft… Tage später kommt raus, dass wir nur blöd sind: Stufe 5 (die wir gewählt hatten) ist die schwächste, erst bei 1 nimmt der Ventilator richtig Fahrt auf. Logisch! Zum Glück hat mittlerweile die Temperatur etwas abgenommen, sodass nicht mehr dauerhaft ein Schweißfilm auf der Haut liegt. Gefühlt bin ich die einzige, die hier bei 20°C noch mit T-Shirt rumläuft, aber La Paz hat mich wohl schlimmeres gelehrt…
Die Kampangnen Tage laufen alle recht ähnlich ab, morgens kommen wir etwas verspätet an, von 9-12 Uhr messen wir Sehstärke, erklären was eine Hornhautverkrümmung ist, biegen Brillen und setzen Gläser ein. Mittags wird in der Markthalle gegessen, da wir mehrere Tage in Folge zur selben Frau gehen, dürfen wir uns wünschen was sie für uns kocht, auch wenn der Fakt „vegetarisch“ etwas schwierig ist. Ab 14 Uhr geht es dann wieder zur Schule, bis 16 Uhr werden Patienten aufgenommen, meist sind wir erst so gegen 18 Uhr fertig, denn es herrscht ein großer Andrang. Könnte mit der Presse zusammenhängen, die am Dienstag da war. Während dem Mittagessen sehen wir uns deshalb einmal selbst im Fernsehen. Abends kaufen wir Freiwilligen uns etwas Brot, Avocados (momentan nicht, denn wir scheinen bereits alle Avocados Yacuibas gegessen zu haben) und Obst (das aktuelle Ziel ist es jeden Tag mindestens 7 verschiedene Sorten Obst und Gemüse zu essen), sitzen etwas zusammen und lachen über die besten Geschichten des Tages. Allerdings nicht so lang, denn die Arbeit macht müde und am Morgen müssen WIR um 7 Uhr wieder bereit fürs Frühstück sein.

Mittlerweile bin ich fast nur noch an der Entrega, der Brillenausgabe. Ich weiß nicht genau warum, denn die anderen Aufgaben mache ich genauso gern, aber es hat sich irgendwie so eingespielt. Oft sitze ich aber auch an „der Gerät“, welches vor den Sehtest bereits eine erste Messung der Sehstärke macht und gerade bei Kindern hier schonmal die ersten Patienten als gesund aussortiert werden können. Bei etwa 50 Patienten am Morgen und weiteren 50 am Nachmittag ist das aber auch dringend nötig und gegen Ende des Tages fühle ich mich an der Entrega wie ein programmierter Verkaufsroboter, der immer und immer wieder die selben Sätze sagt: „Das hier sind die drei Modelle, die wir haben, das erste, mit den ovalen Gläsern und dem einfachen Bügeln kostet 80 Bolivianos. Dieses, sehr ähnlich dem ersten…“,“wenn die Brille dreckig ist können Sie sie mit Wasser und Seife waschen“,“diese Brille sollten Sie immer tragen, wenn sie lesen, schreiben, nähen oder sonst irgendwas, was nahe am Auge ist“.

Trotzdem macht es wirklich Spaß und einige Patienten freuen sich so sehr und bedanken sich tausend mal, dass es fast so schön ist wie eine der spuckehaltigen Umarmungen meiner Kids im Hort. Andere sind wiederum auch unfassbar anstrengend, haben immer etwas auszusetzen oder machen sich etwas lustig, wenn man ihr Spanisch nicht direkt versteht. Bei solchen Fällen kann man aber Rider holen, der sich dann darum kümmert. Aus irgendeinem Grund durften Lisa und ich nach den ersten fertigen Arbeitstagen die Statistik machen, auch wenn bei uns die Anzahl der ausgegebenen Gläser nie mit der Anzahl der Brillen übereinstimmt… Mittlerweile müssen wir es nicht mehr machen, da die krummen Zahlen uns doch sehr frustriert haben. Zwischendurch hatten wir so viele Patienten, dass ich fast eine Blase am Daumen hatte, nur vom Brillenbiegen… Wahrscheinlich habe ich nach den drei Wochen eine richtige Hornhaut.

Samstagmorgen war ein Ausnahmefall, denn es wurde gearbeitet. Der Rotary Club der Stadt hatte angefragt, ob wir auch einen Tag zu ihnen kommen könnten und da der Rotary Club Sponsor des Projektes ist, konnten wir schlecht absagen, auch wenn unsere gesamten 3 Wochen schon voll geplant waren. So haben wir einen Tag mehr gearbeitet und am Mittag vom Club Essen bekommen. Und dann ging es on a trip!

Yacuiba grenzt direkt an die argentinische Grenze, heißt wir mussten quasi mal auf die andere Seite, allein schon für den Stempel. Also haben wir Geld gewechselt, sind wir aus Bolivien ausgereist und ab nach Argentinien. Mit dem Taxi ging es in die nächstgrößere Stadt. Hierbei ist aufgefallen, dass plötzlich keiner mehr eine Idee hatte, was so ein Taxi in Pesos kosten durfte. Die Umrechnung von Pesos in Bolis in Euro hat mich dann doch etwas überfordert… Doch richtig lustig sollte es unterwegs werden…
Beide Taxis mit denen wir unterwegs waren wurden an einer Polizeikontrolle nahe der Grenze rausgewunken, wir mussten aussteigen und unsere Pässe vorzeigen. Die Polizisten tuschelten und einer von ihnen ging in den Bauwagen, der scheinbar als ihr Büro oder so etwas diente, und holten eine weitere Polizistin heraus, die Lisa und mir signalisierte ihr in den Bauwagen zu folgen. Drinnen schloss sie die Tür und alle Fenster und fing an uns mit Fragen zu Löchern: Woher kommt ihr? Was macht ihr in Bolivien? Wohin wollt ihr? Wie lang seid ihr in Yacuiba? Wer sind die Leute mit denen ihr unterwegs seid? Wann geht ihr wieder? Dass uns teilweise genaue Daten gefehlt haben hat ihr wohl nicht so gefallen, aber irgendwann hatte sie dann genug gefragt. Dann wurde mein Rucksack durchsucht und es kam der Befehl, wir sollten unsere Jacken ausziehen. Nachdem sie diese ausgiebig durchknetet und offenbar für gut befand sollten wir uns ausziehen. Einmal das T-Shirt hoch bis zu den Schultern und die Hose runter bis zu den Knien. Keine Drogen… Komisch!
In Tartagal angekommen ging es zum Hauptplatz der Stadt, um etwas zu essen zu suchen. Nach einer Runde wurde eine Pizzeria ausgewählt und bestellt. Nach zwei gescheiterten Bestellungen, weil die Zutaten auswaren habe ich eine Dosenchampion Pizza vorgesetzt bekommen, die nie Tomatensoße oder Gewürz gesehen hat, deren Boden steinhart war und die geschmacklich wirklich weit von einer leckeren Pizza entfernt lag. Danach wurde recht schnell entschieden wieder nach Yacuiba zurückzukehren, da in der Region am Folgetag gewählt wurde und deshalb die Bars, was eigentlich als nächster Programmpunkt geplant war, nicht öffnen durften.

Als logische Konsequenz haben wir dann ein wenig Bier gekauft.
Seitenanekdote: Wir versuchen momentan den anderen Lentes-Mitarbeitern beizubringen weniger Plastik zu benutzen. Als der Mann die Bierdosen (die in 6er und dann nochmal zu einem 24er Pack zusammengeschweißt waren) in eine Plastiktüte packen wollte (Alkohol darf man hier nämlich nicht in der Öffentlichkeit haben), haben wir ihm scheinbar so laut versucht klarzumachen, dass wir sie nicht brauchen, dass Limberg (bolivianischer Lentes-Mitarbeiter) meinte, er hötte Sorge gehabt, wir würden den Mann verprügeln wollen. Aber wir sind auf dem Weg der Besserung, es wird immer extra nach Gläsern statt Plastik Bechern gefragt und Wassermelonen kann man mittlerweile auch ohne Tüte tragen.
Das Bier jedenfalls wurde dann im Verlauf des Abends in einem der Hostelzimmer getrunken. Wie wir feststellen mussten, kennen Bolivianer keine Trinkspiele, außer eins, bei dem Schildkröten gemalt werden, gewürfelt wird und dann Prozentrechnung betrieben. Erschien uns für Betrunkene nicht so geeignet… Daher mussten wir die Spielleitung übernehmen. Es war ein lustiger Abend, auch wenn ich das Trinken mit unserem „Chef“ etwas seltsam fand und wir feststellen mussten, dass sie Bolivianer nicht allzu viel vertragen, denn am nächsten Tag war nichts von ihnen zu sehen, außer einer Nachricht, dass es ihnen nicht so gut gehen würde.
Wir haben ein wenig die Stadt erkundet und festgestellt, dass es tatsächlich nicht viel spannendes gab, wie das Internet zuvor schon prophezeit hatte. Reiseführer schreiben über Yacuiba sogar: „Es gibt keinen Grund dort zu bleiben, es sei denn man wartet auf den nächsten Morgen, um nicht im Dunkeln fahren zu müssen.“ Dass wir dann auch noch an einem Sonntag unterwegs waren, hat die Situation nicht verbessert, nicht einmal der Markt war geöffnet…
Zum Abendessen konnten dann 2 von 3 Mittrinkern ihre Höhle verlassen und gingen unfassbar langsam und wortkarg mit uns essen. Sie sahen wirklich nicht gut aus… Aber was soll man machen, wir haben sie nunmal nicht zum Trinken gezwungen und uns ging es gut. Vielleicht lag es doch am Coca (Entschuldigung, am „Cocita“, denn alles wird hier verniedlicht), das mal wieder in großen Mengen verzehrt wurde und bis in den Himmel gelobt wurde…
Und damit ist der 2. Monat hier auch schon rum, auch wenn es mir noch nicht so lang vorkommt…